Am 29.10.2023 versammelten sich etwa 450 Antifaschist*innen auf dem Rosa-Luxemburg-Platz zu einer Kundgebung gegen Antisemitismus und Islamismus.
Ein Bündnis aus mehreren Berliner Gruppen und Einzelpersonen hatte die Kundgebung in den letzten Wochen organisiert, um in der derzeitigen Eskalation nach dem antisemitischen Massaker der Hamas in Israel ein linksradikales, israelsolidarisches Zeichen in Berlin zu setzen.
In mehreren Redebeiträgen wurde auf das Leid der Entführten und Hinterbliebenen des Hamas-Angriffs, aber auch allgemein der Betroffenen aktuellen Eskalation erinnert. Darüber hinaus wurde Solidarität mit allen von Antisemitismus Betroffenen gefordert und Organisationen benannt, die derzeit den Israelhass in die linken Szenen tragen.
Zwischen den Reden wurden die Namen der über 200 Entführten verlesen.
Dass zu dieser Kundgebung, in die wir und viele andere in der letzten Zeit so viel Engagement gesteckt haben, eine beachtliche Zahl an Menschen gekommen ist, ist für uns ein gutes Zeichen und etwas, an dem wir in den nächsten Wochen anknüpfen können.
Gegen jeden Antisemitismus!
Redebeitrag der EAG:
Liebe Genoss:innen,
wir freuen uns, dass heute so viele von Euch gekommen sind, um gemeinsam Solidarität mit dem angegriffenen jüdischen Staat und den Israelis zu demonstrieren. Wir sind froh, dass wir heute als Linksradikale und Antifaschist:innen hier zusammenstehen, um eine klare Position gegen Islamismus und Antisemitismus zu beziehen.
Dass das keine linke Selbstverständlichkeit ist und Antisemitismus auch in der (radikalen) Linken ein massives Problem darstellt, hat sich in den letzten Wochen, mal wieder, in trauriger Weise offenbart.
Während sich ein Großteil der Linken in schweigender Äquidistanz zu den Geschehnissen in Israel hüllte, machten die bundesweit wiedererstarkten rot-autoritären Gruppen keinen Hehl aus ihrem kruden Antiimperialismus, bei dem der Hass auf den jüdischen Staat fester Bestandteil ist.
Kaum 3 Tage, nachdem die Islamisten-Bande Hamas wahllos Menschen in Israel abgeschlachtet, vergewaltigt und gefoltert hatte, wollten die üblichen Berliner Antizionist:innen in Solidarität mit dem “palästinensischen Widerstand” durch Berlin marschieren. Dabei: Kein Wort der Distanzierung zu den Angriffen. Noch während der Hamas-Angriffe tagte im ND Gebäude in Berlin der sogenannte “Kommunistische Kongress”. Von dort hörte man, dass der “palästinensische Kampf” ein “leuchtendes Signal für den weltweiten Kampf gegen die Barbarei” sei.
Während an anderen Orten der Bundesrepublik israelfeindliche Demonstrationen stattfanden, hijackten in Berlin linke Unterstützer*innen des palästinensischen Terrors, wie die marxistisch-leninistische Gruppe Young Struggle, eine Anti-Nazi-Demo in Pankow, um dort ihre antizionistische Propaganda zu verbreiten.
Auch die rote Frauengruppe Zora führte dieser Tage ihre ganz eigene Vorstellung von Feminismus vor. Während die Hamas-Terroristen Frauen vergewaltigten, erklärte Zora, dass die Befreiung Palästinas die Bedingung für die Befreiung der Frau sei und rief die Angriffe seit dem 7. Oktober als “lebendigen Widerstand” aus.
Das mag zwar nur der abgedrehte Rand einer kontra-emanzipatorischen Linken sein, aber das Problem reicht weiter. Die strategische Zurückhaltung von Migrantifa und ihre Selbstinszenierung als “unterdrückte Stimme des antikolonialen Widerstands” ist genau das Narrativ, das seit vielen Jahren tief im linksliberalen Mainstream Anklang gefunden hat und für die Dämonisierung Israels genutzt wird.
Daher greift auch die Forderung nach Schutz für Juden*Jüdinnen, die angesichts der massiven antijüdischen Gewalt nun teils auch von propalästinensischen Antiimperialist:innen aufgestellt wird, zu kurz: Denn es sind eben die Gleichen, die ansonsten von der Aufklärung über den islamischen (und islamistischen) Antisemitismus nichts wissen wollen und sich stattdessen an der Hetze gegen Israel als vermeintlichen Apartheidsstaat und als zionistischen Siedlerkolonialismus rege beteiligen.
Man muss dabei klar sagen: Eine progressive Palästina-Solidarität ist derzeit marginalisierter, als sie es je war. Aber wer in einer Zeit, in der der Judenhass eine Gelegenheit gefunden hat, sich um ein Vielfaches enthemmter zu äußern und Jüd:innen auch außerhalb von Israel sich existenziell bedroht fühlen, leider zurecht, wer auf diesen Zug aufspringt, gibt unverhohlen zu erkennen, was ohnehin immer schon klar war: Es geht nur vordergründig um das humanitäre Leid der Palästinenser:innen, das schnellstmöglich zu beenden nicht erst eine linke, sondern eine humanistische Grundforderung ist.
Das Problem bei der Palästina-Solidarität, wie wir sie aktuell hegemonial erleben, aber ist ihre treibende Motivation: die Kumpanei mit der antisemitischen Aggression der Hamas und ihrer Verbündeten.
Je weniger die Zeiten für eine linke Revolution sprechen, desto grotesker wird es, wenn mit Revolutionsrhetorik rumgeprotzt wird. Was dabei bestenfalls der irrationalen Selbstbefriedigung kleiner Splittersekten dient, ist schlechtestenfalls Wiederholung und Verstärkung der regressivsten Momente der kapitalistischen Gesellschaft. Einer Gesellschaft, von der sich die Allermeisten überhaupt kein Ende mehr vorstellen können, es sei denn, als Zerstörung der Menschheit und des Planeten überhaupt. Wer auf diesen Zustand der Tristesse nicht reflektieren mag, nicht um sich ihm zu ergeben, sondern um wirkliche Möglichkeiten seiner Beendigung zu erkunden, der greift nach irgendwelchen Wunschobjekten. Aber wie das so ist, ist das reale Objekt bei der Projektion ziemlich egal.
Das heißt Konkret: Auf welcher Seite stehen diese Linken, wenn sie auf der Seite des palästinensischen Volkes stehen, abgesehen davon, dass die Sache des Volkes noch nie eine gute kommunistische Angelegenheit war? Sie stehen – gerade im Kontext Gazas – auf der Seite eines hegemonial islamistischen Projekts, in dem Israel als Symbol für den verhassten Westen steht. Feindbild-Symbol für Demokratie, individuelle Freiheitsrechte und Gleichberechtigung. Als Jude unter den Staaten und als kleine Exklave umringt von ihren Glaubensbrüdern, ist Israel aber in den Augen der IslamistInnen auch klein und schwach genug, um beständig die Phantasie anzureizen, der Feind könne, mit einem Schlag, vernichtet werden und damit ein leuchtendes Symbol für die Wiederherstellung der einstigen Größe islamischer Reiche sein.
Darum darf die palästinensische Sache auf keinen Fall eine diplomatische Lösung finden, darum lassen sich radikalisierte Muslim:innen weltweit adhoc in Wut auf die Straße bringen, um den palästinensischen Widerstand, die Intifada, und nichts anderes, zu fordern. Linke, die hiermit gemeinsame Sache machen, verkennen worum es geht oder ihnen ist ihr Revolutionsfetisch wichtiger, als das, wofür sie die Revolution machen. So oder so, mit ihnen ist keine gemeinsame Sache zu machen.
Die Einsamkeit emanzipatorischer Kommunist:innen treibt nicht wenige in den Defätismus, in die bloße Verteidigung des bürgerlichen Rechtsstaates gegen die drohende Barbarei.
Dieser Defätismus ist zu kritisieren. Auch weil wir wissen, dass die bürgerlich-kapitalistische Demokratie nicht das Ende der Fahnenstange ist, sondern mit ihren notwendigen Krisen und Verwerfungen eine Bedingung dafür, dass es diese Faschisierung gibt. Aber die revolutionäre Perspektive lässt sich auch nicht einfach wie der Hase aus dem Hut zaubern. Als Antifaschist:innen stehen wir heute hier, weil Antifaschismus heißt, die Bedingungen für die Emanzipation aufrechtzuerhalten – in dem Wissen, dass es anders sein könnte.
Das heißt: Für Israel, Kampf dem Faschismus und Islamismus, damit aus der Menschheit noch etwas Vernünftiges werden kann!