Wir gedenken heute der Ermordeten des rassistisch motivierten Anschlags vom 19. Februar 2020. Zum 5. mal jährt sich heute dieser Tag, an dem in Hanau ein rechtsextremer Täter neun Menschen ermordete. Bis heute gibt es viele unbeantwortete Fragen dazu, die ein Versagen von Behörden und Staat aufweisen. Wie kann es sein, dass der mehrfach auffällig gewordene Täter, nicht zuletzt durch den Besitz von Waffen und das Verbreiten von Verschwörungsideologien – nicht gestoppt wurde?
Wie ist es möglich, dass der Notruf am Tatabend nicht erreichbar bzw. nur unzureichend besetzt war und wieso gibt es zu diesem Umstand keinerlei kritische Aufarbeitung seitens der Polizeibehörden? Im Zuge einer Videokonstruktion von Forensic Architecture wurde das Fazit gezogen, dass die Betroffenen in der Bar es zeitlich hätten schaffen können zu fliehen, wenn der Notausgang nicht verschlossen gewesen wäre. Wieso gibt es dazu keine juristischen Konsequenzen?
Wieso wurden Angehörige weder in der Tatnacht noch am nächsten Tag über den Todeszeitpunkt ihrer Angehörigen, über den Ablauf der Tat, über Obduktionen oder die Möglichkeiten eines rechtlichen Beistands informiert?Welche anderen Motive als Rassismus können überhaupt vermutet werden bei der Beantwortung der Frage, warum sich keiner der Polizisten am Tatort den noch lebenden Kaloyan Velkov und Ferhat Unvar zugewandt hat?
In Rückblick und nach der Auswertung des UA im zeigt sich ein unfassbares Versagen, ein Hin- und Herschieben von Verantwortlichkeiten. Mit Überlebenden und Angehörigen wurde umgegangen wie mit Tatverdächtigen, was unangenehm an den Umgang mit Angehörigen der NSU-Toten erinnert. Leider ist das nicht weiter verwunderlich, wenn man betrachtet, was später ans Tageslicht kam: Dass von den 20 an dem Abend eingesetzte SEK-Beamten 13 in rechtsextremen Chatgruppen aktiv waren.
Insbesondere im Zuge des gravierenden Rechtsrucks in unserer Gesellschaft und gegen Migrant*innen hetzende Politiker*innen ist es besonders bitter sich daran zu erinnern, wie respektlos Politiker*innen aus CDU und FDP sich verhielten, während Angehörige und Überlebende von traumatischen Erlebnissen im Zuge des UA berichteten – indem sie beispielsweise Zeitung lasen, E-Mails schrieben oder Live-Streams der CDU-Vorsitzendenwahl sahen oder sich sogar für Witze über verschlossene Notausgänge nicht zu schade waren.
Unsere Aufgabe ist es, das Gedenken an die Ermordeten aufrecht zu erhalten und weiter gegen Rassismus auf die Straße zu gehen, ob die Rassisten nun auf der Straße oder im Bundestag sitzen.
Im Gedenken an Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov.
Say their Names!
Quellen:
https://www.ardmediathek.de/video/extra-3/sarah-bosetti-erinnert-an-die-rassistischen-morde-von-hanau/das-erste/Y3JpZDovL25kci5kZS9kMzNiNjZmNC0wOWUxLTQ1MTItYTc4My00OWM0MTA4Y2U4ZGU
https://taz.de/Verdaechtige-SEK-Beamte-in-Hanau/!5777286/