[gehalten auf der Gedenkdemonstration am 9. November in Berlin-Moabit]
Das Jahr 2024 fordert Antifaschismus und Gedenkpolitik besonders heraus. Während überall auf der Welt rechte Parteien und autoritäre Projekte auf dem Vormarsch sind, Rassismus, Antisemitismus und Antifeminismus sich zuspitzen, finden wir uns als emanzipatorische Akteur*innen in einer dauerhaften Verteidigungshaltung der wenigen erkämpften Errungenschaften im Bestehenden.
Progressive gesellschaftliche Veränderungen scheinen in weiter Ferne.
Stattdessen halten weltweit Krisen in Folge von Ressourcenkämpfen an und verschärfen sich. Inflation, Umweltkatastrophen, neue geopolitische Kriege und die Ausbreitung rechter sowie fundamentalistisch-religiöser Kräfte wie dem Islamismus führen zu weiteren Fluchtbewegungen, gleichzeitig nimmt in den kapitalistischen Zentren die Tendenz zu Abschottung, Ausgrenzung und autoritären Lösungen zu.
Auch in Deutschland:
Nazis sind plötzlich wieder eine attraktive Jugendkultur, AfD-Politiker*innen diktieren den bürgerlichen Parteien das nächste repressive Gesetz und Antifas wie Lina, Maja, Hanna und Nanuk wandern für notwendige antifaschistische Gegenwehr in den Knast.
Wer extrem rechte Alltagskultur und eine Wahlmehrheit für rassistische Bündnisse sucht, muss dafür nicht in die sächsische Provinz fahren. Die Reise in die Berliner Randgebiete und ins Brandenburger Umland sind dafür schon ausreichend.
Dass wieder über No-Go-Areas, rechte Bürgerwehren, Nazi-Kampfsporttrainings und rassistische Angriffe geredet werden muss, ist extrem rechter Netzwerkerei, kapitalistischer gesellschaftlicher Krisenprozesse und Diskursverschiebungen nach 2015 geschuldet. Wir sehen gegenwärtig die Projektion gesellschaftlicher Probleme, der Malaise/Misere, die das Leben im Kapitalismus auszeichnet, auf ein vermeintliches Außen. Dies tritt anstelle einer Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Ursachen, den herrschenden Verhältnissen.
Die Erfolge der extremen Rechten treffen jedoch nicht nur Migrant*innen und Linke. Dort wo die AfD ihre Wirkung entfalten kann, wird auch des etablierte Gedenken an die Shoah und den Faschismus in Visier genommen. Gedenkfahrten werden eingespart, an die Finanzierung von Gedenkstätten wird der Rotstift angesetzt.
Das Ziel der Rechten ist klar. Wer wieder ohne Scham ausgrenzen und aussondern möchte, will nicht daran erinnert werden, wo die Aussonderungspolitik der ideologischen Ahnen hinführte. Eine antifaschistische Gedenkpolitik ist nicht nur das Wachhalten der Erinnerung, sondern immer auch die Forderung, dass „Auschwitz nicht noch einmal sei“.
Das geht nur mit der Bekämpfung der extremen Rechten und der Bekämpfung der Ursachen von Antisemitismus und Rassismus.
Wer dabei nicht auch das staatsoffizielle Gedenktheater und den kapitalistischen Normalvollzug in den Blick nimmt, der kann es gleich lassen.
Es hilft nichts: Gerade an Tagen wie dem 9. November müssen wir uns bewusst machen, dass Antifaschismus nicht nur heißt, gegen Neonazis zu kämpfen und so emanzipatorische Räume offen zu halten.
Gerade auch gegen Versuche, das Gedenken an die Taten der Faschisten zu verdrängen, gilt es entschieden vorzugehen. Auch die Erinnerung an die Folgen des eliminatorischen Antisemitismus damals müssen in den Blick genommen werden, um damit verbunden auch heutige Formen von Auslöschungsfantasien gegenüber Jüdinnen und Juden begreifen und bekämpfen zu können.
Gegen die revisionistischen Angriffe auf das Gedenken von AfD und Lumpennazis, aber auch von Seiten der Islamist*innen und linken Antisemit*innen, braucht es antifaschistische Gegenwehr.
Es heißt auch gesellschaftliche Prozesse zu analysieren, aus denen Antisemitismus und Rassismus entstehen und gegen diese anzugehen.
Antifa ist dabei die Grundvoraussetzung für weitere Kämpfe — und eine befreite Gesellschaft, in der Menschen ohne Angst verschieden sein können, ist unser Ziel.