Redebeitrag der EAG am 1. Oktober 2022 am Kurfürstendamm

Liebe Mitstreiter*innen

Wir sind von der emanzipativen und antifaschistischen Gruppe Berlin und heute hier, um den Kampf gegen das radikalislamische Regime im Iran zu unterstützen.

Wir sind solidarisch mit den linken, säkularen und feministischen Bewegungen im und außerhalb des Irans, deren Ziel die Überwindung der Mullah-Herrschaft ist. Einem Regime, in dem eine Frau ihr Leben riskiert, weil ein Stück Stoff auf dem Kopf nicht „richtig“ saß oder in dem sie, wenn sie als Frau Frauen liebt, mit dem Tod bestraft wird, gilt unser abgrundtiefer Hass und politischer Kampf.
Wir denken, das sollte selbstverständlich sein. Aber leider zeigen sich auf den hiesigen Protestkundgebungen nur wenige unserer feministischen Genoss:innen.

Als die Frauen 1979 im Iran gegen den Schleierzwang protestierten, sah das noch anders aus. Da gab es sogar Solidaritätsbesuche aus dem Westen. Heute wird Exil-Iranerinnen wie Masih Alinejad, die sich gegen den Kopftuchzwang engagiert, und dafür ihr Leben riskiert, von weiten Teilen postmoderner Feminist:innen westliche Propaganda vorgeworfen.

Dabei blenden jene Feminist:innen aus, dass das Kopftuch in einem ideologischen und lebenspraktischen Zusammenhang der Unterdrückung von Frauen, der Herrschaft über ihre Sexualität und Körper steht, die mit konkreter physischer Gewalt und Zwang durch Sittenpolizei und patriarchale Familienstrukturen durchgesetzt wird.

Eine taz-Korrespondentin meinte neulich, offenbar ohne einen blassen Schimmer der Geschichte feministischer Proteste im Iran, dass das Ablegen des Kopftuchs nicht den Weg in die Gleichberechtigung ebene und dem Regime ohnehin nichts anhaben könne. Wie falsch sie lag, zeigen die aktuellen Proteste.

Wir wissen um die Rolle des Westens, der durch seine imperiale Politik den Aufstieg des politischen Islam mitzuverantworten hat, unter dem heute Millionen Menschen zu leiden haben. Doch daraus die Konsequenz zu ziehen, eine antiimperialistische und antikoloniale Haltung sei unvereinbar mit universalistischen Werten und einem internationalen Feminismus, halten wir für falsch und gefährlich.

Selbstbestimmung und Gleichberechtigung sind keine „westlichen“ Werte, die nur regional gelten. Feminist:innen des globalen Südens, die sich an universellen Menschenrechten orientieren, ist keine Verwestlichung vorzuwerfen, wie es Kulturrelativist:innen à la Judith Butler gerne tun, sondern ihnen gilt unsere Solidarität.

Wir schämen uns für unsere feministischen Genoss:innen, die misogyne Regime wie den Iran vielleicht nicht verteidigen, aber im Namen des Rechts auf kulturelles und religiöses Anderssein und aus einem falsch verstandenen Antirassismus heraus verharmlosen und den mutigen Kampf der Frauen und solidarischen Männer, für die Mahsa/Jina Amini ein Symbol des Widerstands geworden ist, mit Ignoranz bis Feindseligkeit strafen.

Der feministische Kampf ist nicht als Nebenwiderspruch gegen Antirassismus und Antikolonialismus abzutun. Unser Ansicht nach geht es dabei weniger um kulturelle und religiöse Vielfalt, als vielmehr um gesellschaftspolitische- und ökonomische Anliegen, denen wir uns als radikale Linke überall auf der Welt verbunden fühlen.

Universalistischer Feminismus heißt für uns nicht einfach nur internationale Solidarität mit den Kämpfen von Frauen gegen patriarchale Gewalt. Es heißt für uns auch, dass wir uns als Teil des Kampfes verstehen, weil das, worum es hier geht, nicht „bloß“ die Verletzung von Frauenrechten in islamischen Staaten ist, sondern um die Ethik des gesamten Geschlechterverhältnisses, das jede und jeden von uns was angeht.

Wir sind solidarisch mit feministischen Kritiker:innen des islamischen Fundamentalismus und fordern, dass die Bedrohungen gegen sie ernst genommen werden. Wir kritisieren das lange Schweigen der Bundesregierung zum Tod von Amini und den Protesten im Iran. Die feministische Außenpolitik Baerbocks, die darin besteht, das iranische Regime aufzufordern, „auf die Frauen zu hören“ und lange Zeit vergehen lässt, bevor sie mit vagen Sanktionsdrohungen aufwartet, ist an Hilflosigkeit und Lächerlichkeit kaum zu überbieten.

Als schräges Personal des ideellen Gesamtkapitalisten bleibt ihnen auch nicht viel anderes übrig, wie auch die Bundesregierung im Kontext des Energiedeals mit den Golfstaaten zur Einhaltung der Menschenrechte gezeigt hat.

Dennoch: zur Unterstützung der Proteste im Iran fordern wir dazu auf, Druck auf die EU und die Bundesregierung auszuüben, ihre gescheiterte Appeasement-Politik gegenüber dem Iran aufzugeben.

Wir fordern außerdem dazu auf, Aktivist:innen im und aus dem Iran zu unterstützen:
-über Social-Media weiter Öffentlichkeit zu generieren,
-zu den hiesigen Protestkundgebungen zu kommen
-und bei der Umgehung der Internetzensur im Iran zu helfen.

Nieder mit dem iranischen Regime!
Für einen universalistischen Feminismus!
Frauen, Leben, Freiheit!